Preisempfehlungen

Themenübersicht

Auch im Zeitalter von Preisalgorithmen und dynamischen Preisen sind (unverbindliche) Preisempfehlungen bei vertikalen Vertriebsmodellen keineswegs ein Auslaufmodell: So geben Preisempfehlungen unabhängigen Händlern einen ersten Ausgangspunkt für die Preissetzung und geben Endkundinnen und Endkunden eine allgemeine Vorstellung, in welchen preislichen Sphären sich ein Produkt oder Dienstleistung ungefähr bewegen sollte. Bei Franchising-Modellen können Preisempfehlungen dazu dienen, dass ein vom Franchise-Geber gepflegtes Image günstiger Preise im Allgemeinen auch der durch Franchise-Nehmer gelebten Realität entspricht.

Alle guten Absichten von Unternehmen nützen jedoch nichts, wenn mit Preisempfehlungen die Grenze zu einer unzulässigen Preisabrede überschritten wird und empfindliche kartellrechtliche Sanktionen drohen. Wo im europäischen Ausland diese Grenze liegt, lässt sich scheinbar einfach beantworten: So beschränkt sich die Europäische Kommission auch bei jüngsten Entwurf der neuen Vertikal-GVO darauf, festzuhalten, dass Preisempfehlungen unproblematisch sind, sofern sich diese nicht infolge der der Ausübung von Druck oder der Gewährung von Anreizen durch eines der beteiligten Unternehmen tatsächlich wie Fest- oder Mindestverkaufspreise auswirken.

Das Bundesgericht hat in seinen Urteilen i.S. Hors-Liste Medikamente, welche unverbindliche Preisempfehlungen der Pharmaunternehmen Eli Lilly, Bayer und Pfizer gegenüber Grossisten und Verkaufsstellen betreffend Cialis, Levitra und Viagra zum Gegenstand hatten, der genannten Regelung aus der EU-Praxis eine Absage erteilt: So hat das Bundesgericht den Sachverhalt als abgestimmte Verhaltensweise qualifiziert, dabei jedoch festgehalten, dass hierzu gerade keine Druckausübung oder weitere Elemente notwendig sind. Vielmehr hat das Bundesgericht zwei Elemente in den Vordergrund gerückt: Einerseits erkannte das Bundesgericht eine Abstimmung mittels der elektronischen Übermittlung der (Preis-)Daten. Hierbei hat das Bundesgericht hervorgehoben, dass diese elektronische Übermittlung täglich über Monate und Jahre erfolgt ist und hat darüber hinaus auf die Kontaktaufnahme von einigen Verkaufsstellen mit den Herstellern hingewiesen. Andererseits lag gemäss dem Bundesgericht ein Abstimmungserfolg in Form des hohen Befolgungsgrades der elektronisch übermittelten Preise vor, wobei das Bundesgericht eine kritische Schwelle eines Befolgungsgrades von 50 % herangezogen hat. Schliesslich ist festzuhalten, dass das Bundesgericht eine Kausalität zwischen der Abstimmung und dem Abstimmungserfolg – mit Blick auf aus der EU-Praxis zu abgestimmten Verhaltensweisen herangezogenen Beweiserleichterungen – als gegeben betrachtet hat.

 

Schafft dieser Swiss Finish des Bundesgerichts bei der Beurteilung von unverbindlichen Preisempfehlungen nun mehr Rechtssicherheit? Bezüglich der generellen Beurteilung abgestimmter Verhaltensweisen, indem hierbei weitestgehend auf die EU-Praxis zurückgegriffen wird, ist dies tatsächlich in einem gewissen Ausmass der Fall. Dies gilt gleichermassen für das Bekenntnis des Bundesgerichts zum Indikator des Befolgungsgrads, auch wenn hierbei eine erhebliche Divergenz zum europäischen Ausland besteht. Die Frage, wie viel es braucht, um eine Abstimmung zu bejahen, wenn gerade keine systematische elektronische Übermittlung von (Preis-)Daten erfolgt, bleibt hingegen unbeantwortet. Ebenfalls unklar bleibt, welches «quantitative Mass» das Zusammenspiel zwischen Abstimmung und Abstimmungserfolg bei unverbindlichen Preisempfehlungen erreichen muss, damit eine abgestimmte Verhaltensweise bejaht werden kann. Und gerade dieses Zusammenspiel ist in hohem Ausmass vom Einzelfall abhängig. Somit wird auch zukünftig die Frage, wie «unverbindlich» Preisempfehlungen in der Praxis tatsächlich sind, für Diskussionsstoff sorgen.

 

Debating Competition Dinner

Das 27. Debating Competition Dinner fand am Donnerstag, 17. März 2022 im Zufthaus zur Saffran in Zürich statt. Die Referate zum Thema "Preisempfehlungen" wurden von den Herren Renato Bucher  (MLL) und Kenji Izumi (Sekretariat WEKO) gehalten. Die Veranstaltung wurde von Herrn Dr. Daniel Schiess (Debating Competition/Sekretariat WEKO) moderiert.

 

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Entwicklungen im Kartellrecht: Past - Present - Future

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