DER BEGRIFF DER ABREDE, ART. 4 ABS. 1 KG

Themenübersicht

Der Tatbestand der unzulässigen Wettbewerbsabrede nach Art. 5 KG setzt voraus, dass sich die beteiligten Unternehmen sich in einer kartellrechtlich unzulässigen Weise über einen Wettbewerbsparameter abgesprochen haben. Die Beurteilung des Vorliegens einer wettbewerbsbezogenen Abrede sowie der Zulässigkeit derselben werden dabei im Kartellgesetz durch separate Bestimmungen geregelt. Sie sind in einem Kartellverfahren dementsprechend auch separat zu untersuchen.

Die Prüfung des Vorliegens einer Abrede im Sinne von Art. 4 Abs. 1 KG hat dabei bis vor einigen Jahren gewissermassen ein Mauerblümchendasein geführt. Diese Prüfung erübrigt sich nämlich in der Praxis, wenn der Nachweis der Unzulässigkeit nicht gelingt oder eine Abrede nach Art. 5 Abs. 2 KG gerechtfertigt werden kann. Die Frage nach dem Vorliegen einer Wettbewerbsabrede kann deshalb in bestimmten Konstellationen auch offengelassen werden. Überdies haben wesentliche Fragen zur Beurteilung der Zulässigkeit von Wettbewerbsabreden während längerer Zeit einer höchstrichterlichen Klärung geharrt, weshalb die Diskussion anderer Tatbestandselemente eher weniger im Zentrum des Interesses stand.

Diese Fragen sind jedoch inzwischen geklärt. Es ist offensichtlich, dass nun die übrigen Tatbestandselemente ins Zentrum des Kartellverfahrens rücken.

Der Begriff der Abrede ist dabei bereits in der Legaldefinition der Wettbewerbsabrede vielschichtig. Nach Art. 4 Abs. 1 KG gelten als Abrede "[…] rechtlich erzwingbare oder nicht erzwingbare Vereinbarungen sowie aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen […]". Erfasst werden somit nicht nur ausdrückliche schriftliche Vereinbarungen oder Verträge im Sinne des Obligationenrechts, sondern auch andere Erscheinungsformen der Verhaltenskoordination. Neben stillschweigenden und konkludenten Vereinbarungen wird insbesondere auch konzertiertes Verhalten unterhalb der Schwelle zu konsensbasierten Vereinbarungen erfasst.

Während der Nachweis einer Abrede im Falle einer schriftlichen Vereinbarung den Wettbewerbsbehörden in der Regel kaum Mühe bereiten wird, sieht es spätestens beim abgestimmten Verhalten jedoch anders aus. Besonders die Abgrenzung zum erlaubten Parallelverhalten birgt Unsicherheiten. Aber auch beim scheinbar einfachen Nachweis einer Vereinbarung bestehen in der Praxis je nach der konkreten Erscheinungsform der Koordination noch in verschiedener Hinsicht offene Fragen, die in absehbarer Zukunft Gegenstand der rechtlichen Auseinandersetzung im Kartellverfahren darstellen werden.

 

Debating Competition Dinner

Das 22. Debating Competition Dinner fand am Donnerstag, 6. Juni 2019 im Zunfthaus zur Saffran in Zürich statt. Thema war der Begriff der Abrede im Sinne von Art. 4 Abs. 1 KG. Die Impulsreferate wurden gehalten von Frau RAin Dr. Monique Sturny, LL.M. (Walder Wyss) und Herrn RA Markus Wyssling (Sekretariat WEKO) gehalten. Die Veranstaltung wurde von Herrn RA Dr. Oliver Kaufmann (Debating Competition/Streichenberg) moderiert.

 

Literatur und Materialien

Die folgenden Beiträge und Materialien empfehlen sich zum Einstieg in das Thema:

  • Estermann Philipp, Die unverbindliche Preisempfehlung, Diss., St. Gallen 2016.

  • Bangerter Simon/Zirlik Beat, in: DIKE-KG, Art. 4 Abs. 1 N 20 ff.

 

Fallpraxis

Ausgewählte Entscheide der Wettbewerbsbehörden: 

  • RPW 2010/4, 649 ff., Hors-Liste Medikamente

  • RPW 2010/4, 717 ff., Baubeschläge für Fenster und Fenstertüren

  • RPW 2014/1, 184 ff., Kosmetikprodukte (Dermalogica)

  • BVGer, Urteil B-846/2015 vom 19. Dezember 2017 i.S. Sanktionsverfügung: Hors-Liste Medikamente

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INITIATIVE POUR DES PRIX ÉQUITABLES : EFFET D’ANNONCE OU IMPACT RÉEL ?