MARKTMACHT DURCH DATEN

Themenübersicht

Datenschutzrecht und Wettbewerbsrecht führten lange Zeit ein weitestgehend voneinander unabhängiges Dasein. Seit persönliche Daten ein entscheidender Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit von digitalen Unternehmen geworden sind, gibt es zunehmend Anknüpfungspunkte zwischen diesen Rechtsgebieten.

Der wesentliche Einfluss von persönlichen Daten auf die Marktstellung von Unternehmen in digitalen Märkten zeigt sich am Beispiel von sozialen Netzwerken: Die Attraktivität einer sozialen Plattform für Nutzer und Werbetreibende hängt wesentlich davon ab, über wie viele persönliche Daten wie Kontakte, Bilder oder Vorlieben einer Vielzahl von Nutzern diese verfügt. Auch Suchmaschinen verwenden persönliche Daten ihrer Nutzer, um einerseits die Qualität der Suchresultate zu erhöhen und andererseits zwecks Bereitstellung von relevanterer Werbung. Unter solchen Voraussetzungen sind persönliche Daten ein wesentlicher Rohstoff zur Erlangung von Wettbewerbsvorteilen bis hin zur Marktbeherrschung.

Im Bereich des Datenschutzrechts stellt insbesondere das Recht auf Datenportabilität ein neues Instrument für die Förderung von Wettbewerb in solchen digitalen Märkten dar. So sieht die EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) in Art. 20 vor, dass jede Person das Recht hat, «[…] die sie betreffenden personenbezogenen Daten, die sie einem Verantwortlichen bereitgestellt hat, in einem strukturierten, gängigen und maschinenlesbaren Format zu erhalten». Generell soll das Recht auf Datenportabilität, durch die Vermeidung von Lock-in-Effekten, den Wechsel zwischen Anbietern erleichtern und somit den Wettbewerb ankurbeln. Ob sich diese These in der Realität bewahrheitet, wird sich noch zeigen. Jedoch gibt es bereits heute Stimmen, welche sogar eine weitreichende Interoperabilität zwischen beispielsweise Messenger-Diensten und sozialen Netzwerken fordern. Auch bei der laufenden Totalrevision des Bundesgesetzes über den Datenschutz (DSG) stand die Einführung eines Rechts auf Datenportabilität zur Diskussion. Eine entsprechende Regelung wurde jedoch letztlich nicht in die aktuelle Gesetzesvorlage aufgenommen. So vertrat der Bundesrat die Auffassung, dass dieses Recht mehr darauf ausgerichtet sei, den betroffenen Personen die Wiederverwendung ihrer Daten zu ermöglichen, um den Wettbewerb spielen zu lassen, als ihre Persönlichkeit zu schützen

Während ein Anspruch auf Datenportabilität, unter gewissen Umständen, grundsätzlich auch auf Basis des Wettbewerbsrechts denkbar wäre, stehen derzeit in der kartellrechtlichen Praxis andere Themen im Zusammenhang mit Marktmacht durch Daten im Vordergrund: Dass bei der Zusammenschlusskontrolle klassische Messgrössen für Marktmacht, wie Umsätze, in digitalen Märkten unzureichend sein können, zeigte sich bereits bei der Übernahme von WhatsApp durch Facebook im Jahr 2014. Dieser Zusammenschluss war, trotz eines Kaufpreises von 19 Milliarden US-Dollar, in den meisten Ländern Europas – so auch in der Schweiz – nicht meldepflichtig. Auch im Bereich von Missbräuchen einer marktbeherrschenden Stellung gerät die Frage von Marktmacht durch Daten oder vielmehr deren Missbrauch in den Vordergrund. So hat das Bundeskartellamt anfangs dieses Jahres Facebook die Zusammenführung von Nutzerdaten aus verschiedenen Quellen – namentlich Facebook, WhatsApp und Instagram – auf kartellrechtlicher Basis untersagt. Dieser Entscheid wurde jedoch jüngst in einem Zwischenentscheid des OLG Düsseldorf als Beschwerdeinstanz stark kritisiert. Noch am Laufen ist hingegen die im Juli eröffnete Untersuchung der EU-Kommission i.S. Amazon Marketplace, welche die Verwendung von kommerziell sensiblen Daten von Drittanbietern auf dieser Verkaufsplattform zugunsten von Amazon selbst im Fokus hat.

Problematiken im Zusammenhang mit Markmacht durch Daten kann somit sowohl mittels Regulierung auf Basis des Datenschutzrechts oder auch mit Interventionen auf Basis des Wettbewerbsrechts begegnet werden. Wie sich dieses Zusammenspiel gestaltet, wird auch zukünftig in der Gesetzgebung wie auch bei der Rechtsanwendung für Diskussionen sorgen.

 

Debating Competition Dinner

Das 23. Debating Competition Dinner fand am Donnerstag, 24. Oktober 2019 im Zufthaus zur Zimmerleuten in Zürich statt. Die Referate zum Thema "Marktmacht durch Daten" wurden von den Herren Prof. Dr. Florent Thouvenin (UZH) und Dr. Marc Frédéric Schäfer (Sekretariat WEKO) gehalten. Die Veranstaltung wurde von Herrn Dr. Daniel Schiess (Debating Competition/Sekretariat WEKO) moderiert.

 

Fallbeispiele und Literatur


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DER BEGRIFF DER ABREDE, ART. 4 ABS. 1 KG